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Versorgung mit Wohnraum - eine Strategie für Esslingen

Konzeption des Deutschen Mieterbund Esslingen-Göppingen e.V.

Die Wohnungssituation in Esslingen spitzt sich zu. Die Schere zwischen Wohnungsangebot und Wohnungsnachfrage öffnet sich immer weiter. Die Mieten steigen während der Corona Pandemie ungebremst weiter, obwohl die Realeinkommen sinken. Der Wohnungsneubau schafft keine Entspannung für den angespannten Wohnungsmarkt. Einzelmaßnahmen, wie eine Änderung des Wohnraumversorgungkonzeptes, reichen nicht aus, um die Wohnungssi­tuation zu verbessern. Ein abgestimmtes Maßnahmenbündel ist notwendig, mit dem weitere extreme Mietsteigerungen und Mieterverdrängung gestoppt, Spekulation mit Grund und Bo­den verhindert und der Neubau bezahlbarer Wohnungen deutlich gesteigert werden können. Notwendig sind kurzfristig wirkende ordnungspolitische Maßnahmen verbunden mit langfristig und nachhaltig wirkenden wohnungspolitischen Maßnahmen. Esslingen braucht dringend eine am Gemeinwohl orientierte Wohnraumversorgungsstrategie.

Die Situation

Verantwortungsbewusste Politik muss mit der Betrachtung der Realität beginnen. Die Analyse der aktuellen Situation auf dem Esslinger Wohnungsmarkt ist schwierig. Der Wohnraumsitua-tionsbericht aus dem Jahr 2011 ist die aktuellste öffentliche Faktensammlung zur Wohnungs­situation in Esslingen.

Schon für die Verfasser des Wohnraumsituationsberichtes war die Wohnungssituation alar­mierend. „Die Stadt wird der Aufgabe der Daseinsvorsorge für Bürger nicht angemessen Rech­nung tragen können“, schrieben sie in den Bericht. Sie gingen davon aus, dass die Einwoh­nerzahl sinken, aber die Zahl der Haushalte, die eigentlichen Nachfragegröße auf den Woh­nungsmärkten, steigen wird. Zum Abbau des bestehenden Wohnungsdefizites wurde eine jährliche Neubaurate von 320 Wohnungen für notwendig erachtet. Nach den Zahlen des Sta­tistischen Landesamtes wurden in den Jahren 2011 bis 2019 in Esslingen 1.541 Wohnungen neu gebaut. Das entspricht eine durchschnittlichen jährlichen Neubauleistung von 171 Woh­nungen. Der Wohnungsmangel wuchs, weil der Wohnungsneubau nur gut die Hälfte des Be­darfs deckte.

Die Situation verschärfte sich zudem, weil entgegen der Prognose die Einwohnerzahl wuchs. Nach den Zahlen des Statistischen Landesamtes ist die Einwohnerzahl in den Jahren 2011 bis 2020 um 5.207 Menschen (+ 5,9 Prozent) auf 92.722 Einwohner gestiegen. Allein aus diesem Bevölkerungszuwachs ergab sich die Nachfrage nach rund 2.600 Wohnungen (ca. 260 Wohnungen pro Jahr).

Nach den Zahlen des Statistischen Landesamtes beträgt der Esslinger Wohnungsbestand 46.629 Wohnungen. Berücksichtigt man die notwendige Fluktuationsreserve von 3 Prozent, stehen dem lokalen Wohnungsmarkt rund 45.230 Wohnungen zur Verfügung. Nach der Ge­meinderatsvorlage 61/387/2020 treten 48.276 Haushalte als Nachfrager auf dem Esslinger Wohnungsmarkt auf. Das bedeutet: In Esslingen fehlen rund 3.000 Wohnungen.

Wohnungsmangel besteht in der ganzen Region

Das Prognos-Institut, das im Auftrag der Landesregierung eine Wohnraumbedarfsanalyse für Baden-Württemberg erstellt hatte, hatte festgestellt, dass in Baden-Württemberg der Woh­nungsmangel wie in keinem anderen Flächenbundesland flächendeckend festzustellen ist.

Weil der Wohnungsmangel nicht an der Stadtgrenze endet, ist zweifellos eine engere regio­nale Zusammenarbeit sinnvoll. Dies entlässt jedoch die Stadt Esslingen nicht aus der Verant­wortung, eine angemessene und leistbare Wohnraumversorgung zu gewährleisten. Im Ver­gleich der Neubauleistung in Bezug auf die Einwohnerzahl mit anderen Kreisstädten belegt Esslingen bislang einen Platz im Mittelfeld:

Neubauleistungen 2016 2020 im Vergleich

Die 10 größten großen Kreisstädte in Baden-Württemberg

Stadt

Einwohnerzahl

31.12.2020

Neubauleistung

2016 – 2020

Neubauwohnung
pro 1.000 Einwohner

Reutlingen

116.031

1.805

15,6

Ludwigsburg

93.358

856

9,2

Esslingen

92.722

1.251

13,3

Tübingen

91.077

2.319

25,5

Villingen-Schwenningen

85.686

1.192

13,9

Konstanz

84.446

1.232

14,6

Aalen

68.361

1.010

14,8

Sindelfingen

64.595

733

11,3

Schwäbisch Gmünd

61.216

635

10,4

Friedrichshafen

61.221

1.333

21,8

Die Kreishauptstädtein der Region Stuttgart

Stadt

Einwohnerzahl

31.12.2020

Neubauleistung

2016 – 2020

Neubauwohnung
pro 1.000 Einwohner

Böblingen

50.121

680

13,6

Esslingen

92.722

1.251

13,3

Göppingen

57.974

792

13,7

Ludwigsburg

93.358

856

9,2

Stuttgart

630.305

7.637

12,1

Waiblingen

55.526

710

12,8

 

Die großen Kreisstädte im Tätigkeitsbereich des Deutschen Mieterbundes Esslingen-Göppingen

Stadt

Einwohnerzahl

31.12.2020

Neubauleistung

2016 – 2020

Neubauwohnung
pro 1.000 Einwohner

Esslingen

92.722

1.251

13,3

Göppingen

57.974

792

13,7

Filderstadt

45.958

670

14,6

Nürtingen

41.154

509

12,4

Kirchheim

40.774

609

14,9

Leinfelden-Echterdingen

40.161

628

15,6

Ostfildern

39.431

549

13,9

Geislingen

28.400

272

9,6

Eislingen

21.243

327

15,4

Quelle: Statistisches Landesamt Stand: August 2021

Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, zur Verbesserung der Wohnungssituation jährlich 400.000 Wohnungen, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen, neu zu bauen. Wenn die Stadt Esslingen dazu beitragen will, dass dieses Ziel erreicht werden kann, müssen entsprechend der Einwohnerzahl jährlich rund 450 Wohnungen, davon 110 Sozialmietwohnungen, in der Stadt neu gebaut werden. Durchschnittlich wurden in den letzten fünf Jahren (2016 – 2020) jährlich 250 Wohnungen fertiggestellt.

Wohnen wird zum Armutsrisiko

Der Wohnungsmangel treibt die Mieten in die Höhe. Die Miethöhe nach dem qualifizierten Esslinger Mietspiegel ist von 2010 bis 2020 um 25 Prozent angestiegen. Die durchschnittliche Miethöhe nach dem Mietspiegel (2020) liegt bei 8,64 Euro / Quadratmeter. In der Gemeinde­ratsvorlage 61/387/2020 wird die durchschnittliche Miethöhe mit 11,60 Euro / Quadratmeter (ohne Angabe der Quelle) angeben. Diese Miethöhe liegt 34 Prozent über der Durchschnitts­miete des qualifizierten Mietspiegels.

Der qualifizierte Esslinger Mietspiegel, der zum 1. Januar 2022 in Kraft treten wird, stellt eine Erhöhung der Durchschnittsmiete um 4,1 Prozent auf 8,99 Euro pro Quadratmeter fest. Diese Erhöhung erscheint im Vergleich der Erhöhung um 11,2 Prozent nach der letzten Mietspie-gelerhebung 2018 moderat. Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Mieten in Esslin-gen ein sehr hohes Niveau erreicht haben. Nach dem F+B-Mietspiegelindex belegt die Stadt Esslingen unter den 30 deutschen Städten mit den höchsten Mieten Platz 22.

Preiswerte Wohnungen sind in Esslingen zu einer absoluten Mangelware geworden. Dazu trägt maßgeblich bei, dass der Bestand an Sozialmietwohnungen rapide schmilzt. Nach Aus­kunft des Esslinger Sozialamtes gab es im Jahr 2013 noch 1.196 Sozialmietwohnungen in der Stadt. Nach der Gemeinderatsvorlage 61/387/2020 zählt der Sozialmietwohnungsbestand ak­tuell noch 650 Wohnungen. In nur acht Jahren ist der Sozialmietwohnungsbestand um 46 Pro­zent geschrumpft, weil Wohnungen aus der Bindung gefallen sind, aber keine einzige Sozial­mietwohnung neu gebaut wurde. Der Anteil der Sozialmietwohnungen am Wohnungsbestand beträgt gerade noch 1,4 Prozent.

Weil nur etwa jeder zehnte berechtigte Haushalt die Chance hat, eine Sozialmietwohnung zu erhalten, steigt die Zahl der Wohnungsnotfälle. Nach der Gemeinderatsvorlage 61/387/2020 waren zum 31. Dezember 2019 302 Haushalte mit 819 Personen in der Notfallkartei verzeich­net. Auf der Homepage der Stadt Esslingen ist zu lesen, dass 644 Haushalte mit Wohnberech­tigungsschein seit langem auf eine angemessene und bezahlbare Wohnung warten (Stand 31. Dezember 2018). Es ist natürlich eine Frage der Definition, was unter einem Wohnungs­notfall zu verstehen ist. Man muss jedoch davon ausgehen, dass für deutlich mehr als 302 Esslinger Haushalte Wohnungsnot besteht.

Exkurs: Ein Rechenbeispiel zeigt, dass in Esslingen die Wohnungsnot längst im Mittel­stand angekommen ist:

Bei einer 70 Quadratmeter großen Wohnung und einer Miethöhe von 11,60 Euro / Quadrat­meter beträgt die monatliche Nettokaltmiete 812,00 Euro. Dazu kommt die „Zweite Miete“, die Betriebskosten, die nach dem Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes durch­schnittlich monatlich 2,17 Euro / Quadratmeter beträgt. Für die Beispielwohnung also monat­lich 151,90 Euro. Die Wohnkosten für die 70-Quadratmeter-Wohnung betragen folglich monat­lich 963,90 Euro (durchschnittlich!). Wohnungsexperten gehen davon aus, dass die monatli­che Wohnkostenbelastung 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens nicht übersteigen dür­fen, weil sonst zu wenig für andere notwendig Haushaltsausgaben übrigbleibt. Damit diese Grenze eingehalten werden kann, müsste der Haushalt in der Beispielwohnung über ein mo­natliches Nettohaushaltseinkommen von gut 3.200,00 Euro verfügen können. Die Corona

Pandemie hat deutlich gemacht, welche Berufsgruppen für das Funktionieren unserer Gesell­schaft in Krisenzeiten notwendig sind. Menschen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, werden kaum ein ausreichendes Nettohaushaltseinkommen erwirtschaften können. Ein Ge-sundheits- und Krankenpfleger verdient rund 2.900,00 Euro brutto, eine Fachkrankenschwes­ter 3.900,00 Euro brutto.

Mit Applaus von den Balkonen lassen sich teure Mieten nicht bezahlen. Immer mehr Mieter­haushalte wohnen sich arm. Es darf nicht akzeptiert werden, dass Menschen, die für das Funk­tionieren der Stadt sorgen, von überhöhten Mieten aus der Stadt gedrängt werden.

Das Esslinger Wohnraumversorgungskonzept

Der Titel „Wohnraumversorgungskonzept“, das am 28. Juli 2014 vom Esslinger Gemeinderat einstimmig beschlossen wurde, täuscht. Es handelt sich nicht um ein Konzept, das die ange­messene Wohnraumversorgung in der Stadt regelt. Es werden keine Wohnbauziele definiert. Mit dem Konzept wird nicht die nach dem ermittelten Bedarf notwendig Neubauleistung fest­gelegt. Es handelt sich um eine Quotenregelung für den Wohnungsneubau. Dies ist sicher notwendig, trägt aber allein nicht zur Verbesserung der Wohnungssituation bei.

Notwendig wäre auch, dass das Konzept für das gesamte Stadtgebiet gilt. Es ist jedoch vage formuliert und der Zusatz, dass es nicht grundsätzlich, sondern „nach Beschlussfassung“ gel­ten soll, schränkt seine Wirkung ein.

Ein Problem ist zusätzlich die mangelnde Transparenz, welche die Anwendung des Wohn-raumversorgungskonzeptes erschwert. Insbesondere bei privaten Grundstücken ist es nicht eindeutig, ob das Konzept greifen kann. Dort kann es wohl allenfalls dann zur Anwendung kommen, wenn durch Planungsrechtsänderung zusätzlicher Wohnraum entstehen kann.

Die Hoffnungen, die 2014 mit dem Beschluss des Wohnraumversorgungskonzepts verbunden worden waren, konnten nicht erfüllt werden. Die Mietpreisentwicklung macht offensichtlich, dass es nicht gelungen ist, einen „preisdämpfenden Zubau von Wohnungen“ zu initiieren. Es ist auch nicht gelungen, den Zufluss von Mitteln der Landeswohnraumförderung nach Esslin-gen zu steigern und den Abbau des Sozialmietwohnungsbestandes zumindest zu stoppen. Seit 2014 wurde keine einzige Sozialmietwohnung in Esslingen fertiggestellt.

Die ursprünglich vorgesehene 15jährige Bindung für öffentlich geförderte Wohnungen wäre wohnungspolitisch nicht sinnvoll gewesen. Nach nur 15 Jahren hätten teure Marktmieten ver­langt werden können und zugleich wäre das knappe Gut Bauland verbraucht worden. Es ist zu begrüßen, dass die Bindungsfrist für Sozialmietwohnungen, die nun gebaut werden sollen, auf 25 Jahre verlängert werden soll.

Der Ankauf von Belegungsrechten, wie er wohl in Esslingen bislang ausschließlich betrieben wurde, kann eine kurzfristig sinnvolle ergänzende Notmaßnahme sein, um den Abbau von Belegungsrechten zu verlangsamen. Er ist jedoch kein Ersatz für eine nachhaltige gerechte Wohnungspolitik, die einen dauerhaften Bestand bezahlbarer Wohnungen schafft.

Esslingen braucht eine gemeinwohlorientierte Wohnraumversorgungsstrategie

Wohnen ist für jeden Menschen ein unverzichtbares Versorgungsgut. Die individuelle Woh­nungssituation entscheidet nicht nur über das individuelle Lebensglück und Lebenschancen. Sie entscheidet auch über gesellschaftliche Teilhabe und den Zusammenhalt unserer Gesell­schaft. Die angemessene und leistbare Wohnraumversorgung ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Land und Kommunen. Den Städten kommt jedoch besondere Bedeutung und Ver­antwortung zu, weil vor Ort entschieden wird, welche und wie viele Wohnung gebaut werden.

Das Schlagwort „bauen – bauen – bauen“ greift zu kurz. Mehr bauen allein führt nicht automa­tisch zu bezahlbaren Wohnungen. Es kommt darauf an, dass bedarfsgerechte, leistbare Woh­nungen erstellt werden. Die Erfahrung zeigt, dass mit einer rein marktwirtschaftlich orientierten Wohnungspolitik keine bezahlbaren Mietwohnungen gebaut werden können. Solange Inves­toren, Bauträger und Immobiliengesellschaften Wohnungen zu Höchstpreisen verkaufen oder vermieten können, werden keine bezahlbaren Wohnungen in nennenswertem Umfang gebaut.

Deshalb ist ein grundlegender Kurswechsel der kommunalen Wohnungspolitik erforderlich. Die Stadt und nichtprofitorientierte Vermieter:innen und Unternehmen müssen zukünftig stär­ker als Akteure auf dem Wohnungsmarkt auftreten. Ein preisgebundenes bzw. gemeinwohl-orientiertes Mietwohnungssegment, das sich im Besitz der öffentlichen Hand oder gemeinnüt­ziger Wohnungsunternehmen befindet, muss aufgebaut und dauerhaft gesichert werden.

Um eine ausreichende, angemessene und für alle Nachfragegruppen leistbare Wohnungsver­sorgung zu gewährleiten, ist abgestimmtes Maßnahmenbündel, eine Wohnraumversorgungs-strategie für Esslingen, notwendig.

Transparenz ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Wohnungspolitik

Auch für die kommunale Wohnungspolitik gilt: Die Betrachtung der Realität ist die Vorausset­zung für eine erfolgreiche Politik. Es ist zunächst erforderlich den Wohnungsbedarf, und damit den Neubaubedarf, festzustellen. Ein entsprechender Bericht könnte, wie beim Wohnraumsi-tuationsbericht 2011, von der Stadtverwaltung selbst erstellt werden. Besser wäre es, wenn diese Aufgabe an ein unabhängiges wissenschaftliches Institut übertragen würde.

Auf Grund der Analyse des Wohnungsbedarfes können jährliche Neubauziele definiert und die Strategie zu Erreichung dieser Ziele festgelegt werden. Die Strategie wird regelmäßig evaluiert und gegebenenfalls nachjustiert.

Die Stadt Esslingen veröffentlicht regelmäßig, mindestens zweijährig, einen Bericht über die Wohnungssituation und die Wohnbautätigkeit in der Stadt. Aus diesem Bericht muss ersicht­lich sein, was geplant ist, was gebaut wird und was bezugsfertig ist. Der Bericht muss außer­dem Fakten, welche die Entwicklung auf dem lokalen Wohnungsmarkt beeinflussen, wie die Zahl der Arbeitsplätze oder die Zahl der Transferleistungsempfänger, enthalten.

Die Situation auf dem Esslinger Wohnungsmarkt betrifft alle Esslinger:innen. Akzeptanz ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Stadtentwicklung. Deshalb ist es wichtig, dass sich alle Bürger:innen in die wohnungspolitische Diskussion einbringen können. Belast­bare Fakten sind die Voraussetzung für eine sachgerechte Bürgerbeteiligung und damit für eine erfolgreiche städtische Wohnungspolitik.

Zusätzlich richtet die Stadt Esslingen einen Runden Tisch ein, der sich regelmäßig mit der örtlichen Wohnungssituation befasst und Vorschläge zur Verbesserung der Wohnungssitua­tion erarbeitet. Neben der Wohnungswirtschaft, den Banken und den Vertretern der Vermieter und Mieter sollen möglichst viele zivilgesellschaftliche Gruppen am Runden Tisch vertreten sein.

Gemeinwohlorientierte Bodenpolitik ermöglicht bezahlbare Wohnungen

Bauland darf nicht länger das Nadelöhr und der Kostentreiber für den Wohnungsneubau sein. Der Anteil der Baulandkosten an den Gesamtkosten der Erstellung eines Wohngebäudes hat in den letzten Jahren ständig zugenommen. Nicht mehr die Baukosten, sondern die Bauland­kosten sind inzwischen der entscheidende Faktor für die Mietenberechnung. Ohne eine ge­rechte Bodenordnung, die eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Nutzung des Bodens ermöglicht, wird Wohnen unbezahlbar. Ein Paradigmenwechsel von einer rein fiskalisch orien­tierten Flächenpolitik zu einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik ist die Voraussetzung für eine angemessene und bezahlbare Wohnraumversorgung.

Die Mobilisierung und die Verteilung des Bodens besitzt eine Schlüsselstellung für eine soziale Stadtentwicklung. Bezahlbares Bauen und damit bezahlbare Mieten sind nur möglich, wenn Bauland in öffentlicher Hand ist. Deshalb ist es wichtig, dass die Stadt Esslingen mit einer aktiven Bodenvorratspolitik Bodenspekulation verhindert und bezahlbares Wohnen ermög­licht. Ein gutes Beispiel ist die Stadt Ulm. Seit über 100 Jahren kauft die Stadt Land auf Vorrat. Neues Baurecht gibt es nur, wenn die Stadt im Besitz der Grundstücke ist. Den Erlös des Verkaufs von baureifem Land setzt die Stadt zum Kauf neuer Flächen ein. Die Investoren verpflichten sich, innerhalb von drei Jahren zu bauen, ansonsten geht das Grundstück zum alten Preis an die Stadt zurück. Dieses Wiederkaufsrecht, das den Verkauf an Dritte aus­schließt, ist im Grundbuch festgeschrieben.

Um ausreichend Bauland zur Verfügung stellen zu können, muss Esslingen von seinem Vor­kaufsrecht Gebrauch machen. Finanzielle Unterstützung kann der Bodenfonds des Landes bieten. Möglich ist aber auch, dass Esslingen selbst einen revolvierenden Bodenfonds als Sondervermögen einrichtet. Kommunales Eigentum an Grund und Boden ist nicht nur eine Vermögensposition, sondern auch die Voraussetzung für eine gezielte Bodennutzung im Inte­resse der Allgemeinheit.

Öffentliches Land muss öffentliches Land bleiben. Nur wenn die öffentliche Hand Grundstück­seigentümer bleibt, kann sie langfristig bestimmen, was mit einem Grundstück geschieht. Des­halb sollen kommunale Grundstücke vorrangig im Erbbaurecht vergeben werden. Wichtige Partner sind dabei neben kommunalen Wohnungsbaugesellschaften bestehende oder neu ge­gründete Wohnungsbaugesellschaften. In München sind in den letzten 25 Jahren über ein Dutzend Wohnungsbaugenossenschaften neu gegründet worden. Die Stadt fördert dies durch eine von ihr finanzierte Beratungsstelle, die „Mitbauzentrale“. 30 Prozent der städtischen Grundstücke werden ausschließlich für Genossenschaften ausgeschrieben und im Erbbau­recht vergeben.

Im Unterschied zu Verkäufen, bei denen der Käufer nicht dauerhaft zur Einhaltung sozialer Auflagen verpflichtet werden kann, können die Auflagen über die gesamte Laufzeit des Erb-baurechtsvertrages vereinbart werden. Neben der hohen bodenpolitischen Steuerungsfähig­keit bewahrt das Erbbaurecht öffentliches Vermögen, sichert langfristig feste Einnahmen, ver­hindert Bodenspekulation und lindert die Folgen der Bodenknappheit, Gentrifizierung und Se­gregation. Mit Hilfe des Erbbaurechtes lässt sich eine gute soziale Durchmischung der Wohn­viertel erreichen. Damit das Erbbaurecht attraktiver wird, sind schlanke Vertragsstrukturen not­wendig. Der Erbbauzins darf sich nicht an haushaltspolitischen Erfordernissen der Städte ori­entieren. Er soll deutlich unter dem Liegenschaftszins, der aus dem Verkauf von Immobilien abgeleitet wird, liegen. Schließlich muss eine gerechte Entschädigung für Gebäude beim Ab­lauf des Erbbaurechtsvertrages vereinbart werden.

Städtisches Bauland darf grundsätzlich nur nach Konzept vergeben werden. Entscheidend sind die Ziele der Esslinger Wohnraumversorgungsstrategie und ob die Konzepte der Inves­toren diesen Zielen entsprechen. Bei größeren Wohnprojekten werden die Investoren durch einen städtebaulichen Vertrag an den Lasten der Entwicklung beteiligt.

Das bestehende Wohnraumversorgungskonzept, das eine Quotenregelung für den Neubau darstellt, wird in die Wohnraumversorgungsstrategie integriert. Die Stadt Esslingen trägt zur Wiederbelebung des sozialen Mietwohnungsbaus bei, damit wieder ein bedarfsgerechtere So-zialmietwohnungsbestand aufgebaut und erhalten werden kann.

Um den Flächenverbrauch einzugrenzen, Baulücken zu schließen und die Innenentwicklung zu unterstützen, muss baureifes Land bebaut werden. Eine Baugenehmigung muss in ange­messener Zeit realisiert werden. Geschieht dies nicht, muss die Stadt Esslingen ein Baugebot aussprechen. Ist der Eigentümer nicht in der Lage oder bereit, das Grundstück zu bebauen, kann ihm die Stadt das Grundstück zum Verkehrswert abkaufen.

Weitere Möglichkeiten zur Sicherung bezahlbarer Wohnungen besteht durch Erhaltungssat­zungen (sog. Milieuschutzsatzungen) gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB oder die Nutzung der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme gemäß § 165 ff BauGB, welche es der Stadt er­möglicht, planungsbedingte Bodenwertsteigerungen vollständig abzuschöpfen und für die In­frastruktur sowie für geförderten Wohnungsbau einzusetzen.

Die Stadt Esslingen trägt aktiv zum Aufbau eines dauerhaft bezahlbaren Wohnungsbe­standes bei

Die Stadt Esslingen baut wieder einen kommunalen Wohnungsbestand auf. Dabei kann sie die Landesförderung gemäß der Förderlinie BW-Kommunal in Anspruch nehmen.

Esslingen unterstützt nicht vorrangig renditeorientierte Wohnungsunternehmen wie das halb­kommunale Wohnungsunternehmen EWB, Genossenschaften, kirchliche Wohnungsgesell­schaften, Miethaussyndikat, gemeinschaftliche Wohnprojekte.

Ordnungsrechtliche Regelungen sind notwendig

Die Maßnahmen der Esslinger Wohnraumversorgungsstrategie können nicht kurzfristig zu ei­ner Entspannung auf dem Esslinger Wohnungsmarkt führen. Deshalb müssen ordnungspoli­tische Maßnahmen verhindern, dass Wohnen für immer mehr Mieterhaushalte zu einem Ar­mutsrisiko wird.

Maßnahmen zur Mietpreisstabilisierung, wie Mietpreisbremse, Mietenstopp, Reform des Wirt­schaftsstrafgesetzes, sind bundesgesetzliche Regelungen und können von der Stadt Esslin-gen nicht unmittelbar beeinflusst werden. Dies schließt jedoch nicht aus, dass sich die Stadt Esslingen über örtliche Bundestagsabgeordnete und über den Deutschen Städtetag für eine wirksame Regelung zur Beendigung der Mieteninflation einsetzt. Dort, wo die Stadt unmittel­baren Einfluss hat, kann sie mit einem befristeten lokalen Mietenstopp ein Zeichen setzen und zur Dämpfung des Mietenanstiegs in Esslingen beitragen. Durch den Erlass von Erhaltungs­satzungen verhindert sie, dass durch Modernisierung und Wohnungsumwandlungen Mieter:in-nen verdrängt werden können.

Mit einer Satzung gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum sorgt die Stadt Esslingen da­für, dass bestehender Wohnraum zu Wohnzwecken genutzt wird. Sie setzt ein Signal, das Wohnungsleerstand in Zeiten des Wohnungsmangels unsozial und kein Kavaliersdelikt ist.

Die Stadt Esslingen verhindert die Verdrängung von Mieter:innen und schützt die soziale Durchmischung der Wohnquartiere , indem sie die Umwandlung von Miet- in Eigentumswoh­nungen nur in Ausnahmefällen zulässt.

Download als PDF: Versorgung mit Wohnraum - eine Strategie für Esslingen